Vom aktiven Autofahrer zum passiven Fahrgast ist es ein weiter Weg. Dieser hat allerdings nur fünf Stufen. Aktuell haben wir Stufe 2 geschafft. Sehr lange dauert es nicht mehr. Das Ziel ist in Sichtweite.

Die vollkommene Automatisierung des Fahrens steht bevor und mischt die Automobilbranche ordentlich auf. Um technische Entwicklungen besser einordnen zu können, unterscheidet man fünf Stufen, bis der Mensch das Lenkrad zur Gänze abgeben kann. Auch wenn die Früchte der Automatisierung noch nicht ganz reif sind, es ist schon jetzt viel mehr möglich, als wir auf den Straßen zu sehen bekommen.

Doch wo genau stehen wir in diesem enormen Entwicklungsprozess eigentlich? Längst nicht mehr am Anfang, so viel ist sicher. Zur Orientierung gibt es eine Skala der internationalen Ingenieurs- und Automobilindustrie Vereinigung (SAE), aufgeteilt in fünf Stufen.  Dazu eine zusätzliche Stufe Null als Ausgangspunkt.  Die Skala beschreibt die verschiedenen Entwicklungsstadien des autonomen Fahrens.

Prozess der Automatisierung

Kurz gesagt, behält der Mensch von Stufe Null bis Stufe Zwei die Oberhand im Cockpit, ab Stufe drei beginnt das autonome Fahren. Mit jeder Stufe übernimmt die Maschine weitere Aufgaben bis – wie das Navi zu sagen pflegt –  „das Ziel erreicht ist.“  Zu diesem Zeitpunkt werden Lenkrad und Pedale überflüssig und der klassische Autofahrer wird ausgestorben sein. An seine Stelle tritt der Fahrgast, umgeben von jeder Menge Info- und Entertainment.

Begonnen hat der Prozess der Automatisierung vor knapp 40 Jahren, als die Mercedes S-Klasse 1979 als erstes Serienfahrzeug mit Antiblockiersystem (ABS) auf den Markt kam. Damals noch ein kostspieliges Extra, dafür aber mit großer Auswirkung auf die Sicherheit im Straßenverkehr. An diesem Punkt hatte die Automobilindustrie Stufe Null hinter sich gelassen, bei der ein Fahrer das Fahrzeug ohne jegliche Unterstützung von Assistenzsystemen lenkt.

Stufe 1 absolviert

Nahtlos folgten eine Reihe weiterer elektronischer Helferlein wie das Elektronische Stabilitäts Programm (ESP), Parksensoren, Kollisionswarnsysteme und Spurhalteassistenten. Diese Hilfen führten die Automobilität schnurstracks in Stufe Eins. Der offizielle Startschuss Richtung Roboterauto gelang mit der Einführung des adaptiven Tempomaten Anfang der 2000er Jahre.

In dieser Ära der Fahrerassistenz verwertete das Fahrzeug Informationen von außen und ist seither in der Lage in bestimmten Szenarien wie einer Autobahnfahrt dynamische Fahraufgaben zu übernehmen. Erstmals vermochte das System, Gas, Bremse und Lenkung zu steuern, während der Fahrer die jeweils entgegengesetzte Aktivität durchführte. Es registrierte den Abstand zum Vordermann und regulierte die Geschwindigkeit ohne menschliches Zutun.  In Gefahrensituationen kam der Notbremsassistent zum Einsatz während der Fahrer weiterhin steuerte. Dazu kamen selbstlenkende Einparkhelfer und Spurhalteassistenten mit Gegenlenkimpuls.

Diese erste Stufe hat die mobile Menschheit bereits hinter sich gelassen.

Aktuell: Stufe 2

Derzeit befinden wir uns knapp auf halber Strecke der Automatisierungsskala am Ende von Stufe Zwei. Unter dem Begriff Partielle Automation umfasst diese Stufe den zeitgleichen Einsatz mehrerer Assistenzsysteme.  Allerdings verlaufen die teilautomatisierten Aktivitäten nur innerhalb eines klar abgesteckten Rahmens. Etwa auf speziellen Straßentypen wie einer Autobahn und in vorgegebenen Geschwindigkeitsbereichen – aktuell bis ungefähr 60 km/h. Hier wird vorausgesetzt, dass der Fahrer die Umgebung im Auge behält und jederzeit bereit ist das Steuer zu übernehmen.  Als Beispiel dafür dient der Stauassistent.  Im stockenden Verkehr übernimmt das System mithilfe von Abstandsradar und Kamera Aktivitäten wie Bremsen, Beschleunigen und Lenken.

Die aktuelle Unfallquote automatisierter Fahrzeuge liegt auf Menschenniveau.

Autonomes Fahren

Horst Bischof, Vizerektor TU Graz: „Wenn autonomes Fahren flächendeckend funktioniert, ist eine der Hauptanwendungen Leihautos zu Verfügung zu stellen.“

Stufe 3 – Zum Greifen nah

Aktuell sind die technisch fortschrittlichsten Fahrzeugmodelle schon der Stufe 3 – also dem hochautomatisierten Fahren – zuzuordnen. Noch nicht serienreife Prototypen sind bereits auf Teilautobahnstrecken in den USA und Deutschland unterwegs.

Die bekanntesten Fahrzeuge für Stufe Drei sind die elektrisch betriebenen Modelle von Tesla. Zwar ist es dank Tesla S Autopilot möglich, dem System das Lenken und die Geschwindigkeitsregelung zu überlassen, dennoch muss der Fahrer auch in diesen Fahrzeugen grundsätzlich immer bereit sein einzugreifen. Stößt das System an seine Grenzen, fordert es den Fahrer mittels optischer und akustischer Signale auf, aktiv zu werden. Dass dabei noch einiges schief gehen kann, zeigen immer wieder Zwischenfälle mit den selbstfahrenden Neuheiten.

Die Technik greift ins Lenkrad

Autonomes Fahren

Die Entwicklung ausgereifter Systeme schreitet rasch voran. Der Tesla-Autopilot kann beispielsweise  – unterstützt von einem Heer an Sensoren –  bis Tempo 130 alle relevanten Aufgaben im Straßenverkehr übernehmen. Bremsen muss der Fahrer allerdings nach wie vor selber, denn ein zuverlässiges Notbremssystem lässt noch auf sich warten.

Einzigartige Testinfrastruktur in der Steiermark

Roboterautos in der Steiermark

Schon in ein paar Jahren dürften ausgeklügelte Assistenten der Stufe Drei auf den Markt kommen. Die technischen Neuerungen überschlagen sich förmlich. Um am Ball zu bleiben, haben Unternehmen wie Magna Steyr und Motorentestspezialist AVL List sowie die Technische Universität Graz kürzlich das Forschungsunternehmen Alp Lab gegründet.

Ziel ist der Aufbau einer für Europa einzigartigen Testinfrastruktur in einer geographisch optimal gelegenen Region.  Zwei Jahre soll es dauern, bis die ersten selbstfahrenden Autos auf steirischen Straßen unterwegs sein werden.

Verschiedenste Straßenszenarien lassen sich testen und simulieren: Stadtgebiet, Landstraße und Autobahn. Weitere interessante Testpunkte sind Mautstationen, Grenzstationen oder Tunnels. Fix ist bereits jetzt eine Teststrecke auf der Autobahn A9 zwischen St. Michael und der slowenischen Grenze.

„All das findet man in dieser Fülle bei keinen anderen öffentlichen Teststraßen“, erklärt Horst Bischof, Vizerektor der TU Graz. „Zudem greifen wir auf eine Fülle an Expertise zurück. Alle bedeutsamen Unternehmen sind vor Ort. Für sie wird es ein klarer Wettbewerbsvorteil, alles mehr oder weniger vor der Haustür zu haben.“  Bis dahin widmet sich das Alp Lab in der Steiermark dem Aufbau nötiger Simulatoren- sowie Dateninfrastruktur, der Straßenerfassung auf 3D und baulichen Maßnahmen, um Testfahrzeuge Zentimetergenau verfolgen zu können.

Turbo Boost für Autobauer

Mit der Entwicklung automatisierter Mobilität hat die Automobilindustrie sozusagen den Turbo Boost Knopf gedrückt. Währende Produktionszyklen in der Automobilindustrie bisher alle zwei bis drei Jahre neue Produkte auf den Markt brachten, arbeiten die Zulieferer aus dem Bereich der Informationstechnologien viel schneller und verbreiten Neuheiten im Halbjahresrhythmus.

Automobilindustrie im allgemeinen Transformationsprozess

„Wir erleben gerade den Übergang von Maschinenbau-lastiger Industrie hin zur IT-Industrie. Innovationen im Auto finden fast nur noch im Rahmen der Informationstechnologie statt. Ein Aspekt davon ist autonomes Fahren, es ist aber nur die Spitze des Eisberges“, bestätigt Bischof und fügt hinzu: „Auch wenn die Teslas und Googles dieser Welt schon jetzt im wesentlich kürzeren Entwicklungszyklus einer IT-Industrie arbeiten, haben auch sie Aufholbedarf. Tesla baut seine Autos immer noch doppelt so teuer wie jeder klassische Autobauer.  Das geht eben nicht von heute auf morgen.  Daher muss auch Tesla Know How zukaufen, wie 2017 mit der Übernahme des deutschen Maschinenbauers Grohmann.“

Metamorphose vom Autofahrer zum Passagier

Autonomes Fahren

Stufe 4 – im Test

Der Sprung auf Stufe 4 bringt wesentliche Veränderungen mit sich. Dann kann man wirklich von einem Roboterauto sprechen. Zu diesem Zeitpunkt übernimmt das Fahrzeug dauerhaft das Steuer und kommt auch in brenzligen Situationen ohne menschliches Eingreifen klar. Damit das funktioniert, müssen Sensoren das Umfeld zuverlässig beobachten, um darauf reagieren zu können. Denn dann ersetzen sie die Sinnesorgane des Menschen zur Gänze.  Zuerst werden Stufe Vier – Fahrzeuge in abgesteckten ländlichen Gebieten und auf überschaubaren Strecken zum Einsatz kommen – laut Prognose schon bis zum Ende des Jahrzehnts. In der Stadt wird es wohl länger dauern, da hier die Verkehrssituationen am komplexesten sind.

Stufe 5 – Fahrerloses Fahren

Das Ziel ist erreicht und nun wird manchen schwer ums Herz: Lenkrad und Pedale verschwinden endgültig. Die Fahrzeuge sind nun in der Lage in jeder Situation und bei jeder Geschwindigkeit sicher zu manövrieren.  Der vormalige Autofahrer hat die Metamorphose zum Passagier abgeschlossen – und kann jetzt während der Fahrt lesen und Kaffee trinken. Vielleicht aus der im Cockpit verbauten Espressomaschine…

Wissenswert:

Unfall mit Roboterauto im Testgebiet –Aktuelle rechtliche Lage in Österreich
Rechtlich ist es momentan einfach.  Es gibt in den Testautos immer einen geschulten Fahrer, der im Notfall eingreifen kann.  Es ist also nach wie vor der Fahrer verantwortlich. Langfristig gibt es in Österreich noch keine rechtlichen Rahmenbedingungen. Hier wird es in Zukunft spannend.