Zeitlose Knackigkeit. Der 23-jährige Wiener Newcomer Bibiza hat mit „Viertelnachvier“ wieder einen heißen Anwärter für die Charts herausgebracht. Was als nächstes kommt? Auf alle Fälle ein Track.

Interview: Elisabeth Patsios        Foto: amine sabeur, Sony Music     Styling: @marienhirt

 

2021 hast du wahnsinnig viel veröffentlicht. Man könnte sagen, du hast einen guten Lauf. Empfindest du das auch so?
Ja. Ich bin voll ehrgeizig und nie zufrieden. 2021 waren es sicher 30 Songs. Das kommt gut hin. Das ist eigentlich crazy, wenn ich das jetzt so zähle. Viel releasen macht Welle. Dann bleiben die Leute dran. Das war mein Plan. Viel releasen viel Aufmerksamkeit, viel Content. Das braucht man heutzutage. So geht aber auch viel unter, wenn man keine gescheite Promo macht und Songs released wie eine Instagram-Story.

Wie lange hält man so ein Tempo durch?
Das geht schon, die Qualität ist dann eine andere. Jetzt würde ich das nicht mehr so machen. Wenn ich meine Musikphase habe, mache ich schon zwei Songs in der Woche. Jetzt habe ich mal einen Namen und mache mir ein wenig mehr Gedanken und release jetzt nur noch die besten Nummern.

Vom Rap hast du dich etwas entfernt.
Stimmt. Ich habe mich genremäßig weiterentwickelt. Bei Rap und Trap kann man leicht etwas rappen, es geht viel schneller Songs zu machen. Man muss unterscheiden zwischen Tracks, also schnell entstandener Musikfiles, und einem Song von drei Minuten, wo echte Musiker nochmal Schlagzeug und Gitarre aufnehmen. Da ist ein Unterschied.

Siehst du dich selbst als Rapper gesehen?
Nein. Ich sehe mich als Musiker, der auch rappen kann und HipHop liebt. Ich werde auch wieder rappen, bin aber grundsätzlich viel breiter aufgestellt. Ich fühle jeden Tag andere Emotionen und will auch andere Musik machen so wie ich auch nicht jeden Tag dasselbe esse.

 „Man könnte meinen Musikstil TRINDI nennen – ein Mix aus Rap und Indie.“

Was ist aktuell dein Stil?
Ich mische Punk, Indie, Rock mit modernen Trap- und Rap-Elementen. Man könnte es auch Trindi nennen – ein Mix aus Rap und Indie. Ist mir gerade so eingefallen. Im Ernst, so viel Plan habe ich jetzt auch nicht, das sollen andere kategorisieren. Ich versuche meinen eigenen Stil zu finden, habe im Grunde überhaupt keine Ahnung was ich mache und mache was mir akustisch gefällt. Hauptsache es klingt gut.

 „Ich bin noch immer hungrig auf mehr.“

Hast du eine so gute Resonanz auf deine Musik erwartet?
Ja, schon. Ich arbeite ja durchgehend darauf hin. Ich möchte davon leben und mein Geld damit verdienen. Ich wär angefressen, wenn es nicht so wäre. Ich erwarte mir noch viel bessere Resonanz und bin noch immer hungrig auf mehr.

Wann ist die Entscheidung gefallen, Musik zu deinem Beruf zu machen?
Ich habe die Matura gemacht, danach Zivildienst beim Samariterbund, gekellnert und ein knappes Jahr Soziologie wegen der Familienbeihilfe studiert, zuletzt Wirtschaftsrecht auf der WU. Das alles war eher eine Abnabelungsphase. Ich dachte immer, ich müsste studieren. Und ich hatte auch nicht gleich nach der Matura den Mut zu sagen „Alles für die Musik!“. Also musste ich mich zuerst mental und dann auch den Eltern gegenüber abnabeln. Zu wissen, jetzt reicht es, ich habe genug herumgeschissen, und ich mache jetzt Musik, weil ich zu hundert Prozent dahinterstehe, und meine ganze Kraft und Leidenschaft investieren möchte. Ich dachte, wenn man es liebt, kann es nicht falsch sein. Ich bin der Erste und Einzige in meiner Familie, der in so eine Richtung geht.

Hast du einen Plan B?
Nein. Die Musik ist ein Weg, für den du hundert Prozent Commitment haben musst. Wenn man viel mit Plan B herumdenkt, wird Plan A sicher nicht erfüllt.

„Viertelnachvier ist eine lustige Uhrzeit, für die Nacht urspät und in der Früh urfrüh.“

Gerade hast du „viertelnachvier“ mit der deutschen Musikerin MOLA veröffentlicht.  Warum dieser Titel? Taugt dir diese Uhrzeit?
Viertelnachvier ist eine lustige Uhrzeit, für die Nacht urspät und in der Früh urfrüh. Das fand ich cool an dieser Zeit. Es war der erste Song, den ich in diesem Jahr gemacht habe und ich mag ihn immer noch gerne – das ist ein gutes Zeichen.  Denn oft kann man erst nach dem Release wirklich sagen, ob ein Song zeitlos ist. Aber dieser Song wird mir noch länger gefallen. Aktuell läuft er in highest rotation auf FM4 und auch auf Spotify.

Steckt in dem Song lange Arbeit oder kurzfristige Inspiration?
„Viertelnachvier“ ist so ein Song, der richtig schnell entstanden ist. Wir haben gar nicht wirklich nachgedacht. MOLA ist eine Freundin aus München. Ich habe sie auf Instagram angeschrieben, weil mir ihre Stimme so gefallen hat. Nach vier Monaten haben wir uns getroffen und der Song ist – begleitet von viel Bier – innerhalb von fünf Stunden entstanden.

 „Sobald sich ein Song wie Arbeit anfühlt, ist es vielleicht ein guter Song, aber kein Hit.“

Wann hast du dich zum ersten Mal im Radio gehört? Was war das für ein Gefühl?
Das weiß ich ganz genau. Das war vor drei Jahren. Ein Freund und ich haben zusammen beim Radio angerufen, sind tatsächlich durchgekommen und haben uns den Bibiza Song gewünscht. Den haben die dann gespielt. Das echte erste Mal war 2020 der Quarantäne Song.  Ur lustig, dass im Radio meist die Songs von mir gespielt werden, die am schnellsten entstanden sind.  Der Quarantäne Song war ja im Grund voll der Blödsinn. Ich hatte selbst Corona, saß mit Mikro am Tisch bei einem Instagram-Lifestream und habe den gesamten Song im Stream gemacht. Wenn´s rollt, dann rollt´s. Sobald sich ein Song wie Arbeit anfühlt, ist es vielleicht ein guter Song, aber kein Hit.

Hast du Favoriten unter deinen Songs?
Immer die unreleased Songs. Alles was veröffentlicht wird liegt, etwa ein dreiviertel Jahr in der Vergangenheit. Sind sie veröffentlicht bin ich der Regel damit durch. Daher lebe ich immer in der Zukunft, wenn ich einen Song release.

Welche österreichischen Musiker hörst du gerne?
Georg Danzer und Falco. Ich liebe Bilderbuch und Wanda. Das sind echt coole Bands. Die haben genug Ecken und Kanten. Young Hurn finde ich auch lustig, aber so ein Rap-Album kann ich mir nur einmal anhören.

„Rap ist immer nur Rap, wenn man ein extrem krasser motherfucker ist.“

 Hast du mit Rap, Trap und Indie deine Genre-Grenze erreicht?
Für die nächsten 5 Jahre habe ich mal alles abgedeckt. Langsam habe ich meinen Way to Go gefunden. Auf Rap und Trap hatte ich nicht mehr so Lust, immer dieselben drei Töne. Rap zeigt eine Jugendkultur, in der es nur darum geht, besser zu sein als jemand anderer. Mit der Zeit fand ich das lächerlich und wollte Musik mit anderen Themen machen. Man will sich ja weiterentwickeln. Jeder Rapper, der über dreißig ist und rappt, ist einfach nur lächerlich. Mit Ausnahme von Ami-Rappern, die vielseitig sind. Aber das ist in Deutschland nicht angekommen. Die Szene dort ist echt zurückgeblieben. Rap ist immer nur Rap, wenn man ein extrem krasser motherfucker ist, der auf alles scheißt und auf die Straße spuckt. Das können nur junge Leute machen. Welcher 40-jährige Typ erzählt, wie krass er ist. Das ist einfach nicht authentisch.

Woher kommt deine Vielseitigkeit?
Ich habe immer sehr viel Musik gehört. Mit 13 Jahren habe ich mir mit YouTube Tutorials das Gitarrespielen selbst beigebracht. Mit 14 bin ich durch CRO voll in den Rap eingetaucht, hab jede Art von Rap gehört, HipHop geliebt und begonnen selbst zu rappen. Es ist die leichteste Form, um allein Musik zu machen. Durchs Rappen habe ich extrem musikalische Leute kennen gelernt, das hat mich inspiriert. Am Anfang ist man allein, und im eigenen Horizont stark begrenzt. Man sieht erst bei anderen, was musikalisch noch alles möglich ist.

Wie funktioniert dein Songwriting…
Ich bin inspiriert von dem was ich erlebe, auch im Alltag. Ich bin niemand der vorschreibt. Ich schreibe Texte immer auf die Beats. Ich höre einen Sound, werde frei im Kopf – komplett freestyle – und dann purzelt eine coole Zeile raus. Auf der wird dann aufgebaut. Es läuft meistens so, dass ich vorher echt gar keine Ahnung habe und im Laufe der Session eine Ahnung bekomme.

Produzierst du noch in deinem Keller in Mariahilf?
Der Keller ist derzeit nicht vorhanden wegen Ruhestörung. Das wurde richtig teuer. Aktuell mache ich viel Musik zuhause. Sonst gehe ich zu Sessions in die Villa Lala – einem Studiokomplex mit coolen Produzenten. Ich bin zwar auch Produzent, fokussiere mich aber auf das Frontman-Dasein. Ich rede schon viel mit, bin in alles involviert und besitze ein Gespür für Songaufbau und Arrangement. Aber ich bin nicht so gut auf den Instrumenten wie andere. Am besten ist, wenn jeder was anderes kann und sich alles ergänzt – das werden die besten Sessions. Wenn man nur geile Gitarristen hat, kommt ein überladenes Gitarrending raus, aber kein Song, den man sich gerne anhört.

Es ist bei dir immer wieder vom Künstlerkollektiv die Rede.
Swift Circle ist eine Freundesgruppe. Wir teilen unsere Liebe zu Musik und die Art zu leben. Dazu gehören prodbypengg, Eli Preis, Liebcozy , Supergerne und andere. Alles steht und fällt mit dem gegenseitigen Support. Wir sind ein Kollektiv und werden auch als Swift Circle gebucht.

Du hast kein Management. Wieso?
Weil ich sehr viel selbst managen kann. Ich bin zwar auch auf der Suche, will aber einen Manager nicht managen müssen. Dieselbe Geschichte läuft mit Videoleuten. Mit ihnen bringe ich meine Visionen nicht durch, deswegen schneide ich alle meine Videos selbst.

Du hast Osttiroler Wurzel und auch schon Videos in Lienz gedreht. Bist du oft dort?
Ja. Ich bin zwar zu 96 Prozent Wiener, weil ich hier sozialisiert wurde und meine Freunde hier habe, aber zu einem Teil bin ich auch Osttiroler und liebe es dort zu sein.  Es ist voll schön und gut zum Runterkommen.

Besitzt du Führerschein und Auto?
Führerschein, ja. Auto, nein. Solange ich keine eigene Familie habe, brauche ich keines.

Wie kommst du in der Stadt von A nach B?
Mit Öffis und Fahrrad.

Erinnerst du dich noch an die Zeit in der Fahrschule?
Meine Oma hat mir damals die L17-Ausbildung geschenkt. Der Fahrlehrer war ein extrem lustiger Typ, ein Wiener Urgestein. Zum Glück habe ich die Prüfung beim ersten Mal geschafft.

Taugt dir Autofahren?
Ich liebe Autofahren, aber lieber Langstrecke. In der Stadt ist es oft schlimm mit dem Verkehr. Was mich am meisten nervt, ist der Stau. Dann fluche ich auch mal.

Welchen berühmten Menschen hättest du gerne bei einer langen Autofahrt an deiner Seite?
Anthony Kiddies, den Frontman von Red Hot Chili Peppers. Oder Alexander Van der Bellen, das wäre entspannend.

Deine persönliche Top-5 Tracklist für die Autofahrt:

1 Arlo Parks – Eugene
2 Smashing Pumpkins – 1979
3 Radiohead – Creep
4 King Krule – Easy easy
5 Dvtch Norris – Toothpick

INFO:

Bürgerlicher Name: Franz Bibiza
Geboren: 1999, Wien
Vita: begann im Alter von 13 Jahren Musik zu machen
Releases: Debüt-EP „Copypaste“ (2019), Album „Bis Dato” (2020), Album „Zwei Zöpfe auf dem Kopf“ (2021),  Album: „Leben wie ein Hippie“ (2021)
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New Release 2022: „Viertelnachvier“