Bunt & authentisch. Vielseitig & queer. Die 25-jährige Salzburgerin ermutigt andere zu sich selbst zu stehen und liefert mit ihrem eigenen Label break them Records eingängigen Deutsch-Pop.
Interview: Elisabeth Patsios Fotos: Valentina Vale
Du setzt dich für die queer Community ein, hast dich selbst geoutet und arbeitest mit deiner Lebensgefährtin Valentina zusammen. Wie wichtig ist es dir, Diversität zum Ausdruck zu bringen?
Persönlich geht es mir nicht darum etwas zu repräsentieren, sondern darum mich nicht verstecken zu müssen. Schon als Teenager habe ich mich als schräg bezeichnet. Weil ich schräg gekleidet war, meinen eigenen Fashion-Style hatte, Piercings und die ersten Tattoos schon in der Schulzeit. Ich war schon damals anders und da war niemand, der mir ähnlich war und das ist eigentlich bis jetzt so. In vielen Umgebungen fühle ich mich anders. Das fließt auch in die Musik ein und inspiriert mein Songwriting. Früher haben mir viele Dinge Sorgen bereitet. Heute bin ich froh selbstsicherer damit umzugehen.
„Es geht mir nicht darum etwas zu repräsentieren, sondern mich nicht verstecken zu müssen.“
Du hast Conchita Wurst als Vorband auf einigen Konzerten begleitet. Wie siehst du die Diversität in der österreichischen Musikbranche?
Wurst war für mich einige der wenigen Personen, die sich öffentlich für die LGBTQIA+ Community eingesetzt haben. Im Großen und Ganzen ist die Diversität in der Musikbranche aber nicht wirklich so sichtbar. Auch nicht hinter der Bühne. Das finde ich sehr schade.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Während meines Auslandssemesters in England mit 16 Jahren habe ich auf dem Dachboden meiner Gastfamilie eine Kindergitarre gefunden und von da an meine gesamte Zeit darauf verwendet Songs zu schreiben. Anfangs dachte ich gar nicht daran, dass ich selber auch singen könnte. Jahrelang habe ich, ohne jemandem davon zu erzählen, mein Songwriting und mein Gitarrenspiel verbessert. Nach der Matura habe ich mich gegen ein Studium entschieden und die Band Projekt Amy Wald gegründet. Kurz darauf ist mein Gitarrist bei einem Motorradunfall gestorben. Ich habe entschieden als Solokünstlerin weiter zu machen.
Hattest du auch einen Plan B?
Es gab nie einen Plan B. Nach der Matura habe ich in einem Klamottenladen im Verkauf gearbeitet. Es hat sich angefühlt, als würde ich die Zeit nicht richtig nutzen. Ich habe dann gekündigt.
„Meine ganze Straßentour über habe ich bei Instagram-Followern übernachtet.“
Du bist auch mehrere Monate als Straßenmusikerin im deutschen Raum aufgetreten. Wie war das?
Ich war nur mit meiner Gitarre in Österreich und Deutschland unterwegs, hätte mir keine Jugendherberge zum Übernachten leisten können. Es war toll. Viele Leute sind gekommen. Die ganze Tour über habe ich bei Instagram-Followern geschlafen. Sie haben mir damals ermöglicht herumzureisen.
Wie hat deine Familie reagiert?
Den Support von Zuhause musste ich mir erst erarbeiten. Meine Eltern haben mir zwar nie versucht etwas auszureden, aber sie waren nicht begeistert. Die Sorge stand immer im Vordergrund. Mittlerweile hat sich ihr Zugang zu dem ganzen Musikding geändert. Es hat geholfen, dass meine Songs auch im Radio liefen.
Hast du Vorbilder?
Die deutsche Band Jennifer Rostock. Ihre Arbeit fand ich toll und inspirierend. Ich hatte das Glück die Leadsängerin kennen zu lernen. Sie hat mir gezeigt, dass ich zwischen all den Männern auch einen Platz auf der Bühne haben kann. Das hat mir sehr viel Mut gemacht, den ich auch gebraucht habe. Zu Beginn habe ich fast nur mit Männern zusammengearbeitet.
Amy über Freundin Vale: „Jeden Schritt, den ich mache, macht auch sie.“
Du gehst offen mit deiner Beziehung zu Valentina um. Ihr arbeitet ja auch gemeinsam. Wie fühlt es sich an für jedermann offen zu leben?
Die Beziehung wird wahrgenommen, wir kreieren auch gemeinsamen Content. Jeden Schritt, den ich mache, macht sie auch. Das queer Thema ist offenbar für viele spannend. Es stört mich nicht darauf angesprochen zu werden. Manchmal, wenn wir spätabends mit den Öffis durch die Stadt fahren, kann es schon sein, dass uns ein Betrunkener blöd anquatscht. Das passiert. Aber ich bin froh in Österreich zu sein, wo wir uns nicht verstecken müssen und händchenhaltend herumgehen können.
Mittlerweile hast du dein eigenes Label gegründet und im Coronajahr 2020 den lang ersehnten Durchbruch geschafft.
ch wollte eigenständig Musik veröffentlichen mit allem was dazu gehört. Mit jedem Release wird diese Arbeit spannender und ich bin sehr happy damit. Letztes Jahr habe ich der österreichischen Musikbranche mal Hallo gesagt. Dann hat „Mehr als nur ein Like“ eingeschlagen.
Textzeile aus Amys neuem Song: „Ich will gemeinsam mit dir unfertig sein.“
Worum geht es in deinem neuen Song „Unfertig“?
Um gewisse Erwartungshaltungen aus dem sozialen Umfeld, denen man nicht gerecht werden kann oder will. Seien es die Erwartungen an berufliche oder gar sexuelle Lebenswege einer Person. Es ist eine Ode an die Freundschaft.
Wie war es für dich die eigene Musik im Radio zu hören?
Echt komisch. Plötzlich rennt da der eigene Song. Wir waren gerade in einer Parklücke und haben dann im Auto getanztJ.
„Ich finde es schön, auf Dinge hinzuarbeiten. Dann fängt man an im Kopf zu träumen.“
Trotzdem war und ist es eine schwere Zeit für Künstler. Wie bist du über die Runden gekommen?
Das frage ich mich manchmal auch. Man muss trotz allem Wege finden und man wird dabei schnell kreativ. Wir produzieren die Musikvideos selber, Vale filmt und wir sparen, wo es geht. Ich habe die Zeit genützt, um Songs zu schreiben und mit unserem eigenen Modelabel break them Fashion kommt zwar nicht viel Geld rein, aber was reinkommt, fließt in die Musik. Zum Glück habe ich eine Förderung aus dem österreichischen Musikfonds erhalten. Das hat die letzten drei Songs zu einem großen Teil finanziert.
„Social Media kann ganz schnell viele Stunden fressen.“
Mit „Mehr als nur ein Like“ setzt du dich kritisch mit den Sozialen Medien auseinander. Wie sieht es privat aus?
Ich differenziere: was ist Entertainment und was gehört zur Arbeit. Die private Zeit auf Instagram versuche ich zu minimieren. Das funktioniert bei mir auch nicht so, man verliert sich in dieser Welt der unendlichen Möglichkeiten. Daher habe ich mich dazu entschieden, niemandem mehr auf Instagram zu folgen. Das hat sehr geholfen. So habe ich viel weniger Postings und Stories auf meiner Startseite.
Wie funktioniert dein Songwriting?
Unberechenbar. Das Ding mit Struktur muss ich noch lernen. Tendenziell arbeite ich viel in der Nacht.
Hast Du einen Führerschein?
Ja, aber leider noch kein Auto. Das liegt noch nicht in unserem finanziellen Rahmen. Aber ich darf mir immer wieder das Auto meiner Eltern ausborgen. Ich mag es über Landstraßen zu fahren. Früher bin ich mit dem Moped in Salzburg zum Fußballtraining gecruised.
Was ist dein absolutes NoGo im Straßenverkehr?
Andere in Gefahr zu bringen. Ich finds auch nicht cool, wenn jemand ultraschnell auf der Autobahn vorbei brettert. Das gibt mir persönlich nichts.
Fluchst du auch mal im Auto?
Jemanden anschreien, nein. Da haut man die eigene Energie hinein und diese Personen verdienen keine richtige Aufmerksamkeit. Ich mach das subtil. Kann sein, dass da einfach mal ein Mittelfinger beim Fenster rauszeigt.
Hast du einen Wunsch für die Zukunft?
Nachdem ich mein eigenes Label habe, würde ich später gerne andere Artists unter Vertrag nehmen und aufbauen – vor allem die FLINTER (Frauen/Lesben/Inter/Nichtbinär/Trans). Talentierten Leuten eine Chance geben und schauen, dass das Beste dabei rauskommt. Das würde die Diversität bringen, die mir persönlich in der Musikbranche noch fehlt.
Amy Wald
Geburtsort: Salzburg
Lebensmittelpunkt: Wien
Das mag Amy: Fußballspielen
Eigenes Label: break them records
Erste EP: F.A.L.S 2019
Releases 2020: „Crush“, „Mehr als nur ein Like“ (fünf Wochen Ö3 Hörercharts Platz 1), „Freaks“ (Platz 7)
Release 2021: „Unfertig“
Instagram: amywaldamy