Sphärischer Indie-Folk made in Vienna: Im wohl schwierigsten Jahr seit langem veröffentlicht die frische Wiener Band LAMILA ihre ersten beiden Singles und zeigt, dass auch in der Krise viel Gutes entstehen kann. movin4LIFE im Gespräch mit der 31-jährigen Wiener Frontfrau Camilla Thurner.

Interview: Elisabeth Patsios     Fotos: LAMILA / Susanne Hassler-Smith

Wie ist LAMILA entstanden?
Ich schreibe schon lange Songs, bin aber keine Soloperformerin und wollte lieber etwas mit anderen gemeinsam machen. 2019 habe ich mit Ines die Band gegründet. Sie studiert auch Gesang und spielt Kontrabass. Gemeinsam haben wir uns auf die Suche nach einem Gitarristen gemacht und Alex ist schnell an Bord gekommen. Schon nach ein paar Proben war klar, dass diese Konstellation passt.

War die Ausrichtung der Band von Anfang an klar?
Zuerst war LAMILA als reines Akustikprojekt geplant. Wir haben relativ schnell begonnen zu recorden. Dabei haben sich die Songs entwickelt, weg vom rein akustischen Sound, dafür mit neuen essentiellen Elementen wie Synthesizer und E-Gitarren.

Wie beschreibst du euren Musikstil?
Sphärischer Indie-Folk.

Hast du eine musikalische Vorgeschichte?
Davor hatte ich mein Singersongwriter Projekt Camilla Glück. Es war mein musikalischer Anfang von allem. Ich habe mich mit deutschsprachigen Songs ausgetobt. An einem bestimmten Punkt war klar, dass es Zeit ist, Musik auf einer professionelleren Ebene zu machen.

Empfindest du dich als spätberufen?
Ich habe lange überlegt, ob ich Gesang studieren soll. Ich dachte, wenn, dann mache ich es noch vor meinem 30er. Also habe ich mit 28 mit dem Gesangsstudium begonnen, Camilla Glück aufgelöst und daran gearbeitet gesangstechnisch ein neues Level zu erreichen.

„Es ist mir wichtig, dass es in meinem Leben zu keinem Stillstand kommt.“

Was hast du davor gemacht?
Ich komme bin Sozialpädagogin, habe ein freiwilliges soziales Jahr absolviert und bin in Wien gelandet, wo ich ja auch geboren bin. Aufgewachsen bin ich im Burgendland im Bezirk Oberpullendorf. Ich war im Behindertenbereich tätig, in der Familienhilfe, im Jugendzentrum und als Hortpädagogin. Zum Glück habe ich mit einem Selbsterhalter-Stipendium die Gelegenheit bekommen, etwas ganz anderes zu machen. Es ist mir wichtig, dass es in meinem Leben zu keinem Stillstand kommt.

Wie geht es euch als Band mit dem Corona-bedingten Stillstand?
Wir erhalten Unterstützung aus dem Hilfsfonds und sind dabei unser erstes Album bis Anfang 2021 fertig zu produzieren. Ich hoffe, dass wir bald wieder ein Konzert geben können – und sei es online.

Als LAMILA seid ihr erst kürzlich zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne gestanden.
Das war unser erster richtiger Gig im Chelsea in Wien. Es war wegen Corona mit der Ungewissheit verbunden, wie viele Leute zum Sitzplatzkonzert kommen werden. Tatsächlich waren wir mit stolzen 85 Plätzen ausverkauft.  Es war der Abend, den wir als Band vor dem Winter gebraucht haben.

 Wie funktioniert euer Songwriting?
Das Songwriting machen Alex und ich. Von meiner Seite kommen die musikalische Grundidee, Texte und Melodien. Alex macht das Fine Tuning. Er ist unser Genie in Sachen Arrangement-Arbeit. Ines studiert mittlerweile in Graz und kommt zu den wichtigsten Proben. Unsere neuen Songs sind dreistimmig aufgebaut – ein wesentliches Element für die Musik auf unserem ersten Album.

Wie funktioniert Eure Zusammenarbeit als Band?
Jeder von uns hat auch seine privaten Projekte. Alex studiert Gitarre und macht Soloprojekte, Ines ist in einem Jazztrio und ich bin zusätzlich im Backgroundchor der österreichischen Dialektrapperin Hunney Pimp.

Woher kommt die Inspiration für deine Texte?
Schon als Jugendliche habe ich gerne Texte verfasst. Erst später habe ich sie auch in Songs eingebaut. Sie kommen aus meiner eigenen Gefühls- und Erlebniswelt. Wenn ich bewusst nach Inspiration suche, kann ich sie überall finden. Es geht eher darum, was gerade für mich passt. Dann setze ich mich ans Klavier, spiele die ersten Akkorde, probiere Melodien aus und singe drüber. Das ist der Anfang.

 „In unseren Songs dreht sich viel um die Suche nach Beständigkeit und Erdung in einer Welt, die gerade sehr instabil wirkt.“

Hat euer neuer Song „Mammoth Tree“ auch eine autobiographische Seite?
Ja. Es geht um die Suche nach Beständigkeit, Erdung und Stabilität in einer Welt, die sehr instabil wirkt. Ein Thema, dass besonders jetzt sehr viele Menschen beschäftigt. „Mammoth Tree“ erzählt die Geschichte einer jungen Person, die von den Erfahrungen des Mammutbaums lernt. Der Baum ist eine Metapher und verkörpert Weisheit und Wissen anderer Menschen.

Hast du musikalische Vorbilder?
Es gibt so viele… Fix dabei sind Joni Mitchell, Feist und Flo and the Machine. Und Nina Simone. Da kommt man nicht dran vorbei.

„Die neuesten Songs sind immer die spannendsten. Dafür brenne ich am meisten.“

Wie ehrgeizig bist du?
Im Rahmen des Könnens, in dem man sich befindet, sollten die Dinge schon perfekt sein. Wir sind alle recht starke Perfektionisten. Aber mit der Zeit verändern sich Ansprüche und man beurteilt die eigene Leistung anders. Von Jahr zu Jahr würde ich Dinge anders machen. Ich bin fast nie zu hundert Prozent zufrieden. Das treibt mich an besser zu werden und immer weiterzumachen. Die neuesten Songs sind dabei immer die spannendsten. Dafür brenne ich am meisten. An alten Songs hört man sich auch schnell satt.

Trotz Corona habt ihr heuer zwei Singles veröffentlicht. Hatte Ihr Zweifel wegen des Zeitpunkts?
Nein. Wir setzen gerade alles auf die Musik. Mit Corona ist es zwar schwerer, aber wir haben uns dazu entschlossen. Die Musik bietet ja auch Alternativen. Viele Musiker in Österreich unterrichten nebenbei als Musikpädagogen. Ein zweites Standbein finde ich auch sinnvoll.

LAMILA ist eine Folk Band und in Österreich gibt ist Folk nicht sehr verbreitet. HipHop, Rap und R´n´B sind aktuell angesagt und wir passen da nicht so rein. Ich bin gespannt, ob es eine Nische für unsere Musik gibt und genug Menschen, die diese Art von Musik hören wollen. Mit LAMILA möchte ich gerne ausreizen, was in den nächsten Jahren alles geht.

„Unsere Texte lassen viel Interpretationsspielraum.“

Früher hast du auf Deutsch gesungen. LAMILA hat nur englischsprachige Songs. Warum?
Die deutsche Sprache ist viel direkter. Das hat eine eigene Qualität. Aber zur Musik von LAMILA passen Texte mit mehr Interpretationsspielraum besser. Und natürlich wollen wir auch international verstanden werden.

Promotet ihr LAMILA über die Sozialen Medien?
Ja, wir haben Accounts auf Facebook und Instagram. Ich finde es spannend, Wege zu finden auf dir richtige Art präsent zu sein. Ich bin aber kein Fan von Stories. Das ist mir doch zu persönlich.

Welche Erinnerungen hast du an deine Fahrschulzeit?
Ich habe den Führerschein gemacht, weil es am Land nötig war. Ich bin zwar beim ersten Mal durchgekommen, fahre aber nicht gerne. In der Stadt überhaupt nicht. Ich besitze kein Auto, brauche es auch nicht, denn die Wiener Öffis funktionieren bestens.

Hast du schon mal eine brenzlige Situation im Verkehr erlebt?
Kurz nachdem ich den Führerschein gemacht habe, bin ich mit dem Siebensitzer meiner Eltern und Freundinnen auf der Rückbank einkaufen gefahren. Ich bin einem alten Auto hinterhergefahren, habe mich nicht getraut zu überholen. Das ist noch heute eine ganz große Angst vor mir. Als ich mich schlussendlich doch getraut habe, war es leider genau im Überholverbot und plötzlich hatte ich eine Verkehrsinsel vor mir. Ich habe den alten Mann in seinem Auto gestreift. Das hat mir sehr leidgetan und ist wohl bis heute abschreckend für mich. Daher fahre ich lieber mit dem Rad oder nehme die Öffis, gehe urgern zu Fuß und freue mich, wenn ich bei Freunden mitfahren kann.

Welchen Star wünschst du dir bei einer langen Autofahrt an deine Seite?
Thom Yorke von Radiohead. Wir könnten gemeinsam seine Songs hören und über Festivals plaudern. Radiohead habe ich früher oft gehört.

Was sind deine NoGos im Straßenverkehr?
Wenn Autofahrer dich aus dem Nichts heraus anhupen, sodass es dich fast vom Radl fetzt oder ohne zu schauen, die Tür öffnen.

Fluchst du dann auch mal?
Ich versuche es nicht zu machen und es entspricht auch nicht meinem Naturell. Es stört mich eigentlich, wenn die Leute im Auto die ganze Zeit schimpfen. Aber manchmal rutscht einem ein „Oida!“ schon heraus.

LAMILA

Bandgründung: 2019
Bandmitglieder: Camilla Thurner (Vocals), Alexander Hoffmann (Gitarrist), Ines Fuchs (Doublebass)
Musikstil: Indie-Folk
Singles: Dandelion Crown (2020), Mammoth Tree (2020)